© Annie Schlechter

Oxford, UK

48.

Samuel Fischer Gastprofessorin
2023

Nancy Campbell

In diesem Sommersemester ist die schottische Schriftstellerin Nancy Campbell unser Gast! Nancy Campbell wurde im Jahr 1978 in Exeter, England geboren und wuchs in Schottland und Northumberland auf. Nach einem Studium der Anglistik in Oxford, wo sie heute lebt, lernte sie Buchhandwerkskunst und war danach bei verschiedenen Kunstbuchdruckereien in den USA und Großbritannien tätig.

Nancy Campbell wird von der ehemaligen Poet Laureate Carol Ann Duffy als „eine geschickte, gefährliche und schillernde Dichterin, die aus den entlegensten Winkeln sowohl der Geschichte als auch des Klimawandels schreibt“ beschrieben. Eine Reihe von Aufenthalten bei arktischen Forschungseinrichtungen zwischen 2010 und 2017 inspirierte sie zu verschiedenen literarischen Werken, von Gedichten über Essays bis hin zu Sachbüchern, die sich mit der Umwelt der arktischen Zone beschäftigen. Ihr neuestes Werk Thunderstone, welches im vergangenen Jahr erschien, ist ein autobiographischer Bericht über ihren Ausstieg aus dem bürgerlichen Leben während des ersten Corona-Lockdowns.

In ihren Werken setzt sich Nancy Campbell in vielfältiger und innovativer Weise mit den Folgen des Klimawandels auseinander. Besonders interessiert sie sich für marginalisierte oder vom Aussterben bedrohte Sprachen als Archive eines ökologischen Bewusstseins. So verbindet ihr erstes Buch How to Say ‚I Love you‘ in Greenlandic (2011) die Einführung in die Sprache Grönlands mit einer romantischen Erzählung. Auch der Lyrikband Disko Bay (2015) erkundet die Auswirkungen des Klimawandels auf die polare Region. Der Prosaband The Library of Ice (2018) wiederum fast Campbells Faszination für die zerklüftete Schönheit des Eises in Worte.  In ihrem Werk Fifty Words for Snow (2020; dt.: Fünfzig Wörter für Schnee, Hoffmann und Campe 2021) erzählt Campell Geschichten rund um die ganz unterschiedlichen Wörter für Schnee in den Sprachen unserer Welt, vom französischen „avalanche“ bis zum mongolischen „zud“.

Die Poetry Society ernannte Campbell 2018 zur britischen Canal Laureate. Das Projekt Canal Laureate ist Teil einer umfassenderen Partnerschaft zwischen dem Canal & River Trust und dem Arts Council England, das darauf abzielt, mehr Besucher an die Wasserstraßen zu locken und gleichzeitig die bestehenden Gemeinschaften durch spannende und innovative Kunstprojekte zu überraschen und zu erfreuen. Viele der Gedichte, die sie während ihrer zweijährigen Laureateship schrieb, wurden entlang der Promenaden installiert, wo sie nachts auf Anlegestellen projiziert, in Schablonen auf Treidelpfade geschrieben oder in Fischtreppen eingraviert wurden; sie sind in der Broschüre Navigations (2018) gesammelt.

Im Jahr 2020 erhielt sie den prestigeträchtigen Ness Award der Royal Geographic Society für ihr intermediales Werk, darunter das Sachbuch The Library of Ice (2018), der Gedichtband Disko Bay (2015) sowie das Kunstbuch How to Say ‚I Love you‘ in Greenlandic (2011), welches außerdem den Birgit Skiöld Award gewann. Zudem wurde der Gedichtband Disko Bay für den Forward Prize for Best First Collection (2016) sowie für den Michael Murphy Memorial Prize (2017) nominiert.

Campbells Texte wurden von vielen Kunst- und Kulturorganisationen in Auftrag gegeben, darunter die Royal Academy, die British Library, die BBC, die National Poetry Library und die World Book Night. Campbell hat mit Choreograph*innen, Komponist*innen, bildenden Künstler*innen, Buchbinder*innen, Anthropolog*innen und Neurowissenschaftler*innen zusammengearbeitet und widmet sich der Entwicklung innovativer Projekte, die die Grenzen der Poesie erweitern, sowie der Unterstützung der Arbeit von Kolleg*innen und aufstrebenden Schriftsteller*innen durch ihre Lehr- und Verlagsprojekte.

„Er dämpft. Er verhüllt. Ähnlich wie das Tuch, das ein Zauberer über seine Assistentin legt, bevor er zur Säge greift – wenn er es abrupt entfernt, besteht das Wunder nicht darin, dass sich alles verändert hat, sondern darin, dass alles so ist wie zuvor.”

Nancy Campbell, Fünfzig Wörter für Schnee

Seminar „On water and other voices“

Im Rahmen der Samuel Fischer Gastprofessur wird Nancy Campbell im Sommersemester 2023 ein Seminar mit dem Titel On water and other voices unterrichten. Dieser Kurs erkundet die Bedeutung von Wasser für die somatische Erfahrung von Umwelten. Ausgehend vom radikalen und unablässigen Wasserkreislauf soll das Verhältnis von Ecopoetry und Buchkunst untersucht werden. Es werden vielfältige Texte besprochen, darunter außereuropäische, noch kaum kanonisierte Werke aus älteren Literaturen, wobei auch transhumane Stimmen (Gezeiten, Kerneis oder Myzelien) zu Wort kommen. Studierende werden dazu ermuntert, die Grenzen des literarischen Ausdrucks in Texten zu erproben, indem sie über sprachliche Fremdheit und Verluste nachdenken.

Das Seminar findet ab dem 19. April 2023 immer mittwochs von 16-18 Uhr am Peter Szondi-Institut für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft statt.

Bücher

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Nancy Campbell, Salvador Plascencia und Svenja Gräfen im Gespräch

Die Veranstaltung fand am 8. Juni in der Galerie für Zeitgenössiche Kunst in Leipzig statt.

Samuel Fischer Gastprofessorin Nancy Campbell traf auf Picador Gastprofessor Salvador Plascencia bei einem Gespräch über die Kunst des Schreibens und das Zusammenspiel von Design und Literatur. Svenja Gräfen führte durch das Gespräch. Mehr zur Veranstaltung auf picadorprof.de.

Die Veranstaltung ist eine Kooperation zwischen der Samuel Fischer Gastprofessur und der Picador Guest Professorship und fand im Rahmen des 25-jährigen Jubiläums der Samuel Fischer Gastprofessur statt. Partner von #sfischerprof sind: Freie Universität Berlin, der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD), S. Fischer und Holtzbrinck Berlin – Inspire Together.